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Bluttransfusionen: Wie Ärzte heute denken

Bluttransfusionen: Wie Ärzte heute denken

Jahrzehntelang sind Jehovas Zeugen dafür kritisiert worden, dass sie Bluttransfusionen ablehnen. Ihre Haltung beruht auf der biblischen Direktive, sich von Blut zu enthalten, und stand zuweilen im Widerspruch zu dem, was Ärzte im Interesse ihrer Patienten für das Beste ansahen (Apostelgeschichte 15:29).

Doch jetzt hört man aus der medizinischen Fachwelt immer häufiger, wie sinnvoll aus medizinischer Sicht der Einsatz von klinischen Strategien zur Vermeidung von Bluttransfusionen ist.

In einem Sonderteil zum Thema Blut im Stanford Medicine Magazine a schrieb Sarah C. P. Williams in dem Artikel „Against the Flow​—What’s Behind the Decline in Blood Transfusions?“ (Gegen den Strom — warum immer weniger Bluttransfusionen?): „In den letzten zehn Jahren haben immer mehr Studien ergeben, dass in Krankenhäusern weltweit häufiger und mehr Spenderblut verwendet wird als für die Patienten nötig — sowohl während Operationen als auch auf den Krankenstationen.“

In dem Artikel wurde Dr. med. Patricia Ford zitiert, Gründerin und Direktorin des Center for Bloodless Medicine and Surgery (Zentrum für fremdblutfreie internistische und chirurgische Behandlung) am Pennsylvania Hospital. Sie sagte: „In der Medizin hat sich der Gedanke festgesetzt, dass jemand stirbt, wenn er nicht eine bestimmte Menge Blut im Körper hat; dass Blut der Lebensretter schlechthin ist. ... Das trifft in einigen speziellen Situationen zwar zu, ist aber bei den meisten Patienten in den meisten Situationen einfach nicht der Fall.“ b

Dr. Ford, die jedes Jahr ungefähr 700 Zeugen Jehovas behandelt, erklärte weiter: „Viele Ärzte, mit denen ich mich unterhalten habe, ... hatten diese falsche Vorstellung, dass viele Patienten ohne Bluttransfusionen einfach nicht überleben können. ... Ich habe das vielleicht sogar selbst einmal bis zu einem gewissen Grad geglaubt, aber dann schnell gelernt, dass man solche Patienten durchaus behandeln kann, indem man ein paar einfache Strategien anwendet.“

Im August 2012 veröffentlichte das Fachjournal Archives of Internal Medicine die Ergebnisse einer Studie mit Patienten, die in einem medizinischen Zentrum in einem Zeitraum von 28 Jahren am Herzen operiert wurden: Zeugen Jehovas ging es besser als vergleichbaren Patienten, die Bluttransfusionen erhalten hatten. Bei ihnen traten weniger Komplikationen während des Klinikaufenthalts auf, die frühe Überlebensrate war höher und die Überlebensrate nach 20 Jahren war etwa gleich hoch.

In einem Artikel im Wall Street Journal vom 8. April 2013 hieß es: „Schon seit Jahren kommt die fremdblutfreie Chirurgie — also Operationen, bei denen kein Spenderblut verwendet wird — bei Patienten zum Einsatz, die Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ablehnen. Diese Praxis wird jetzt von den Krankenhäusern immer mehr übernommen ... Wie Ärzte, die sich für fremdblutfreie Chirurgie aussprechen, sagen, verringern sich neben den Kosten, die sonst für das Kaufen, Lagern, Aufbereiten, Testen und Transfundieren von Blut anfallen, auch das Risiko transfusionsbedingter Infektionen und Komplikationen, die einen längeren Krankenhausaufenthalt nach sich ziehen.“

Das passt gut zum Fazit von Dr. Robert Lorenz, ärztlicher Direktor für Blutmanagement des Cleveland-Klinikums: „Gibt man einem Patienten eine Transfusion, hat man zunächst das Gefühl, dem Patienten zu helfen ... Aber Langzeitstudien zufolge ist wohl genau das Gegenteil der Fall.“

a Veröffentlicht von der medizinischen Fakultät der Stanford University, Ausgabe Frühjahr 2013.

b Der Standpunkt von Jehovas Zeugen zum Thema Blut wird in dem Beitrag erklärt „Was wir oft gefragt werden: Warum akzeptieren Sie keine Bluttransfusionen?“.