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Ein paar Pilze gefällig?

Ein paar Pilze gefällig?

 Ein paar Pilze gefällig?

FÜR die Pharaonen im alten Ägypten waren Pilze eine Delikatesse, die speziell der königlichen Familie vorbehalten blieb. Die Römer bezeichneten sie als Götterspeise und brachten sie nur zu bestimmten Anlässen auf den Tisch. Und die alten Griechen feierten Pilzfeste; sie waren überzeugt, dass Pilze ihren Soldaten besondere Kraft für die Schlacht verliehen.

Heute sind Pilze längst kein elitäres Vergnügen mehr. Im Gegenteil: Sie haben in aller Welt einen festen Platz auf dem Speiseplan. Nur . . . was isst man da überhaupt? Zählen Pilze zu den Tieren, zu Gemüse oder zu etwas ganz anderem? Wie werden sie angebaut? Sind sie eigentlich nahrhaft? Was muss man beachten, wenn man in der freien Natur Pilze entdeckt?

Meine Frau und ich wollten es genauer wissen und machten einen Ausflug von Sydney (Australien) nach Mittagong, einem hübschen Städtchen in den Southern Highlands (New South Wales). Unser Ziel? Einmal dem Pilzzüchter Noel Arrold über die Schulter schauen.

Auf der Pilzfarm

Noel, ein stämmiger Australier, ist Mikrobiologe und ein echter Pilzkenner. Er studierte in mehreren Ländern den Anbau von Pilzen, ehe er nach Australien zurückkehrte, um eine eigene Pilzfarm aufzubauen. „Pilze bilden ein separates Organismenreich, zu dem auch Mehltau und Schimmel gehören“, erzählt er. „Früher wurden sie den Pflanzen zugeordnet, doch mittlerweile weiß man, dass sie sich grundlegend von ihnen unterscheiden.“

Er erläutert: „Im Gegensatz zu fast allen Pflanzen produzieren Pilze keine Nährstoffe durch Fotosynthese und können im Dunkeln wachsen. Außerdem geben sie hochwirksame Enzyme ab, durch die organisches Material in wichtige Nährstoffe umgewandelt wird, die sie dann aufnehmen. Dieser einzigartige Zersetzungsprozess unterscheidet Pilze auch von Tieren. Pilze sind also weder Pflanzen noch Tiere. Deshalb ordnen  Biologen sie seit einiger Zeit einem eigenen Reich zu — den Fungi oder Pilzen.“

Noel erklärt weiter: „In der Natur setzen reife Pilze Millionen winziger Sporen frei, die keimen, sobald sie auf andere Sporen treffen. Landen sie an einem kühlen, feuchten und nährstoffreichen Ort, wachsen neue Pilze. Pilzzüchter ahmen diesen Prozess unter kontrollierten Bedingungen bestmöglich nach, um den Ertrag und die Qualität zu optimieren.“

Während wir den Rundgang fortsetzen, erklärt Noel, wie unterschiedlich die Wachstumsbedingungen für Pilze sein können. Champignons beispielsweise, die weltweit beliebtesten Speisepilze, bevorzugen pasteurisierten Kompost. Andere Arten gedeihen in Beuteln mit Pflanzenabfällen, in Flaschen mit Getreidekörnern, auf massiven Holzblöcken oder auf gepresstem Sägemehl. Von den Tausenden bekannten Pilzarten werden jedoch nur etwa 60 kommerziell angebaut.

Noel zieht seine Pilze in einem alten Eisenbahntunnel bei Mittagong. „Dort ist es schön kühl und feucht — ideal für die Pilzzucht“, erzählt er uns. Im Tunnel bestaunen wir endlose Reihen von Beuteln, Kübeln und Flaschen, aus denen Tausende Pilze in allen Formen und Größen sprießen. Einige sehen fast aus wie blühende Rosen; andere gleichen trompetenförmigen Lilienblüten oder kunstvollen Blumensträußen; wieder andere erinnern an zusammengeschobene Taschenschirme. Und das alles in den buntesten Farben!

Lecker und vielseitig

Noel weiß auch, was man mit all diesen Köstlichkeiten anfangen kann: „Viele finden exotische Pilze schön anzusehen, wissen aber nicht so recht, wie man sie zubereitet. Dabei ist das gar nicht schwer. Man kann sie klein schneiden und in der Pfanne anbraten, in die Suppe oder in den Salat geben oder sie einfach auf den Grill legen.  Mein Favorit sind panierte, in Öl frittierte Austernpilze. Und Shiitakepilze mit ihrem intensiven Aroma, das an Fleisch erinnert, sind besonders lecker im Omelett.“

Speisepilze sind ausgesprochen nahrhaft, wertvolle Vitaminlieferanten sowie eiweiß-, mineral- und ballaststoffreich. Außerdem werden rund 2 000 Pilzsorten medizinische Eigenschaften zugeschrieben. Gemäß einem medizinischen Fachjournal kommen Pilzextrakte bei über 100 verschiedenen Krankheiten zum Einsatz, etwa in der Krebstherapie, bei Hepatitis, Aids, der Alzheimerkrankheit und hohem Cholesterinspiegel (Applied Microbiology and Biotechnology).

Aber Vorsicht! Auf eigene Faust Pilze zu sammeln kann sehr gefährlich werden. Manche Arten wie der Grüne Knollenblätterpilz sehen ihren genießbaren Vettern oft zum Verwechseln ähnlich, sind aber tödlich giftig! Deshalb gilt die eiserne Regel: Niemals Pilze aus der Natur essen, solange ein Fachmann nicht sein Okay gegeben hat! Kommen die Pilze aus einer Pilzzucht, kann man natürlich nach Herzenslust zugreifen. Wie gut, dass diese leckeren Delikatessen heute nicht mehr nur Königsfamilien vorbehalten sind!

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PILZE IN DER NATUR

Wild wachsende Pilze sind vor allem in kühlen, feuchten, dunklen Wäldern zu Hause. Sie zersetzen tote Bäume, Pflanzenreste und Hinterlassenschaften von Tieren aller Art und reichern so den Erdboden mit wertvoller Biomasse an. Einige leben in Symbiose mit Bäumen. Diese Pilze helfen Bäumen bei der Nährstoffaufnahme und werden als Gegenleistung über die Wurzeln miternährt.

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TIPPS FÜR PILZFREUNDE

• Frische Pilze in Papier oder Tuch einschlagen und kühl aufbewahren. Da sie leicht Gerüche annehmen, nicht in der Nähe von intensiv riechenden Lebensmitteln lagern.

• Wer Pilze roh mag, sollte sie mit einem feuchten Tuch abwischen oder kurz abspülen und mit einem Tuch trocken tupfen. Pilze nicht ins Wasser legen.

• Will man Pilze warm zubereiten, sollte man oberflächliche Verschmutzungen einfach mit einer weichen Bürste sanft entfernen.

• Pilze braucht man nicht zu schälen — die Haut ist wohlschmeckend und nahrhaft.

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Blick in einen Inkubationsraum, in dem Pilze unter kontrollierten Temperaturen gezogen werden

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Manche Pilze können mit den schönsten Blüten mithalten

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Gegrillte Pilze auf Spinatblättern mit Kichererbsenpüree (Hummus), Knoblauch und Schnittlauch

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Courtesy of the Mushroom Information Center

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Top: Courtesy of the Mushroom Information Center; bottom: Courtesy of the Australian Mushroom Growers Association